Teil 3 der 3-teiligen Serie: Privatsphäre im Wohnbau.
In Teil 1 bin ich auf den Schutz vor dem Sich-beobachtet-fühlen eingegangen (den Beitrag finden Sie hier). Teil 2 handelt vom Schutz vor unerwünschten Kontakten mit dem Umfeld (hier geht´s zum Beitrag).
In diesem Beitrag geht es nun um die physischen Grenzen unseres privaten Reichs – vor allem des Freiraums.
Ein kleines Gedankenexperiment.
Es ist Sonntag nachmittags. Sie sind zu Hause und haben es sich gemütlich gemacht. Die Sonne scheint an diesem wunderbaren Spätsommertag wärmend ins Wohnzimmer ihrer Erdgeschosswohnung. Sie öffnen die Terrassentür. Ein sanfter Luftzug weht durchs Zimmer.
Herrlich!
Dann gehen Sie aufs WC. Muss ja nun mal sein.
Sie gehen zurück ins Wohnzimmer. Und erleben den Schock ihres Lebens.
Ungebetene Gäste
Ihr Nachbar, Herr Huber, steht samt der kleinen Sarah mitten im Zimmer.
Herrn Huber ist die Situation peinlich. Sie sind nach dem ersten Schock nur mehr froh, angemessen gekleidet zu sein.
Was ist passiert?
Die 5-Jährige war wieder auf Entdeckungstour. Und nachdem der kleine Garten der Hubers und ihr eigenes Reich keinen Zaun haben, hat Sarah´s Erkundungslust sie bis in Ihr Wohnzimmer geführt. Und den Papa hinterher.
So ein Erlebnis ist meistens sehr unangenehm.
Emotionale Bindung
Denn unsere Wohnung ist unser Kernlebensraum. Wir haben zu ihr normalerweise eine hohe emotionale Bindung. Wir gestalten sie und sie beherbergt sehr persönliche Dinge. Hier leben wir familiäre und intime Beziehungen. Sie spiegelt dadurch einen Teil unserer Persönlichkeit wider. Und die geben wir nicht jedem preis.
In unserer Wohnung haben wir daher den höchsten Schutz- und Kontrollanspruch gegenüber anderen Menschen und unseren sozialen Interaktionen mit ihnen.
Die Wohnung als Ort der Entspannung und des möglichen Rückzugs
Fühlen wir uns in unseren eigenen vier Wänden nicht ausreichend geschützt, führt das zu anhaltendem Stress. Und das hat negative Auswirkungen auf das Nachbarschaftsverhältnis.
Konflikte und Rückzug werden wahrscheinlicher.
Die Idee, Nachbarschaft durch das Verbot von physischen Abgrenzungen privater Freiräume zu fördern, bewirkt so genau das Gegenteil.
Wir wollen einfach nicht, dass jederzeit jemand unseren privaten Bereich betreten kann. Auch, wenn das nicht aus böser Absicht passiert.
Anders formuliert: wir wollen uns vor Fremdaneignung schützen – so der Fachbegriff aus der Umweltpsychologie.
Alltagstauglichkeit sicherstellen
Und aus praktischer Sicht finden wir es natürlich auch ganz fein, wenn wir lüften können, ohne das Huber´s Kind und unser Hund in einem unbeobachteten Moment so mir nichts dir nichts in die Nachbarschaft aufbrechen – nur weil wir mal kurz auf´s WC müssen und nicht alle Fenster und Türen dicht gemacht haben.
Mit herzlichen Grüßen,
Andrea Eggenbauer
PS: Wenn Sie an einem Projekt arbeiten, bei dem Sie nicht sicher sind, ob ein Planungskonzept auch wirklich die beabsichtigte Wirkung unterstützt, schreiben Sie mir. Hier kann ich helfen.